Wenn patriotische Organisationen den kleinsten Fehler in ihren Wahlformalitäten verursachen, ist das ein willkommener Anlass, Kandidaten von der Wahlteilnahme auszuschließen. Oder gerne auch gleich die ganze Organisation. Wenn es jedoch Akteure des etablierten Parteienkartells oder ihrer treuen Verbündeten sind, sieht es offenbar anders aus. Die “Freien Wähler” im Erzgebirge, die beispielsweise als besonders weit linksaußen stehend gelten (im Landratswahlkampf 2022 ließ sich ihr Kandidat sogar von den Grünen unterstützen), aber dennoch stabiler Mehrheitsbeschaffer für die örtliche CDU sind, haben offenbar bei der Einreichung ihrer Direktkandidaten für den Erzgebirgskreis einen folgenschweren Fehler begangen: Eingereicht hat nicht etwa die Partei FREIE WÄHLER, sondern ein lokaler Verein mit dem Namen “Freie Wähler Erzgebirge e.V.” – während die FREIEN WÄHLER als Partei von der Sammlung sogenannter Unterstützungsunterschriften befreit waren, hätte der Verein diese sammeln müssen. Und wurde trotzdem zur Wahl zugelassen, möglicherweise, weil diese rechtlichen Feinheiten den Mitarbeitern des Landratsamtes unbekannt gewesen sind.
Hier ist die Pressemitteilung zu finden, aus welcher der Antritt der “Freien Wähler Erzgebirge e.V. (FWE)” hervorgeht: https://www.erzgebirgskreis.de/landkreis/neuigkeiten/aktuelles/kreiswahlausschuss-bestaetigt-direktkandidaten-fuer-landtagswahl
Wir haben jedoch umgehend juristische Schritte eingeleitet und sind gespannt, ob Wahlgesetze nur für patriotische Parteien gelten oder auch für den Rest…
Nachfolgend das Schreiben unserer anwaltlichen Vertretung an den Kreis- und Landeswahlleiter, aus dem sich auch die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen der Beschwerde entnehmen lassen:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit zeige ich an, die rechtlichen Interessen des Herrn A. zu vertreten, entsprechende Vollmacht wird anwaltlich versichert.
Herr A. ist Vertrauensperson der Wahlvorschläge der Partei FREIE SACHSEN für die Wahlkreise 12 und 13 bei der Landtagswahl 2024 in Sachsen.
Ich fordere Sie hiermit auf, gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 Sächsisches Wahlgesetzes unverzüglich gegen die Zulassung der Wahlvorschläge der „Freien Wähler Erzgebirge e. V. (FWE)“, die mit Direktkandidaten in den Wahlkreisen 12 bis 16 antreten, einzulegen. Sollten Sie davon nicht Gebrauch machen, werden wir einstweiligen Rechtsschutz vor dem Wahltag ersuchen, sowie die Wahl im Nachgang natürlich anfechten, da durch die rechtswidrige Zulassung ein schwerer Nachteil entstehen würde.
Zur Begründung:
Auf der Seite des Landratsamtes Erzgebirgskreis wurde am 5. Juli 2024 das Ergebnis der Sitzung des Kreiswahlausschusses zwecks Zulassung der Direktwahlvorschläge für die sächsische Landtagswahl am 1. September 2024 bekanntgegeben. In dieser Mitteilung (Quelle: https://www.erzgebirgskreis.de/landkreis/neuigkeiten/aktuelles/kreiswahlausschuss-bestaetigt-direktkandidaten-fuer-landtagswahl), die als Ausdruck beiliegt, heißt es:
„Drei Parteien, die Wahlvorschläge eingereicht haben, treten zum ersten Mal zur Landtagswahl in einem der Wahlkreise im Erzgebirgskreis an und benötigten daher Unterstützungsunterschriften. Dies betrifft das Bündnis Sahra Wagenknecht für Vernunft und Gerechtigkeit (BSW), die Partei FREIE SACHSEN sowie die Partei Werteunion (WU).
Im Ergebnis der Sitzung des Kreiswahlausschusses treten in allen fünf Wahlkreisen an: Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), Alternative für Deutschland (AfD), Freien Wähler Erzgebirge e. V. (FWE), DIE LINKE (DIE LINKE), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN (GRÜNE) und Freie Demokratische Partei (FDP).“
Es ist aus hiesiger Sicht nicht erkennbar, weshalb die Freien Wähler Erzgebirge e.V. (FWE) überhaupt als Partei aufgeführt werden, geschweige denn, weshalb sie keine Unterstützungsunterschriften für die Landtagswahl benötigen sollen.
In seiner Sitzung am 21. Juni 2024 hat der Landeswahlausschuss festgestellt, welche Parteien für die Landtagswahl 1.) als Parteien anerkannt werden und somit Wahlvorschläge einreichen dürfen, sowie 2.) als parlamentarisch gelten, und zudem keine Unterstützungsunterschriften feststellen müssen. Das Ergebnis der Sitzung ist hier einzusehen: https://wahlen.sachsen.de/download/Presse%20Landtagswahl%202024/LWL-MI-13-2024.pdf
Festgestellt wurde in der entsprechenden Sitzung die parlamentarische Verankerung der Partei FREIE WÄHLER (FREIE WÄHLER), deren Parteieigenschaft durch die Anerkennung durch den Bundeswahlausschuss bei der Bundestagswahl 2021 bereits festgestanden hat. Eine Partei „Freie Wähler Erzgebirge e.V. (FWE)“ wurde nicht anerkannt, geschweige denn festgestellt, dass diese parlamentarisch verankert ist. Es handelt sich um zwei völlig verschiedene juristische Personen, die sich zwar inhaltlich nahestehen und auch kooperieren, aber eben nicht identisch sind.
Dies zeigt auch ein Blick in die Satzung des Vereins „Freie Wähler Erzgebirge e.V. (FWE)“, hier abrufbar: https://www.fw-erz.de/fileadmin/user_upload/Satzung-2023.pdf
In dieser Satzung heißt es unter § 2 zum Zweck des Vereins:
„Der Kreisverband der Freien Wähler Erzgebirge bezweckt die Mitwirkung von Bürgerinnen und Bürgern bei der politischen Willensbildung des Volkes auf kommunaler Ebene. Der Kreisverband fördert die politische Bildung der Freien Wähler im Erzgebirgskreis und in Zusammenarbeit mit dem Landesverband im gesamten Freistaat Sachsen. Er unterstützt Einzelpersonen und Gruppierungen der Freien Wähler bei ihrer aktiven Teilnahme an Wahlen.“
Hier wird deutlich, dass es sich bei den „Freien Wählern Erzgebirge e.V. (FWE)“ um einen kommunalpolitisch aktiven Verein handelt, der andere, ähnliche Gruppierungen zwar unterstützt, aber eben nicht mit diesen identisch ist.Dies belegt auch § 3 Abs. 7 der Vereinssatzung, in der es heißt:
„Mitglieder der FWE dürfen keiner Partei angehören. Ausgenommen von dieser Regelung sind Personen, die Mitglied bei den Freien Wählern Sachsen – Landesvereinigung sind.“
Damit ist offensichtlich, dass es sich bei den „Freien Wählern Erzgebirge e.V. (FWE)“ eben um keine Partei und gerade auch keinen Teil der Partei FREIE WÄHLER handelt, wenn eine dortige Mitgliedschaft zwar zulässig ist, aber eben nicht identisch mit einer Mitgliedschaft bei den „Freien Wählern Erzgebirge e.V. (FWE)“.Dass es sich um zwei verschiedene Organisationen handelt, zeigt bereits ein Blick auf die verschiedenen Vorstände: Für die Partei FREIE WÄHLER wird Herr Moritz Schüller auf der entsprechenden Internetseite als Kreisvorsitzender des Erzgebirgskreises angegeben (siehe hier: https://erzgebirgskreis.fwsachsen.de/index-unservorstand), für die „Freien Wähler Erzgebirge e.V. (FWE)“ Herr Prof. Dr. Volker Weber (siehe hier: https://www.fw-erz.de/1/fwe-ev).
Die Wahlvorschläge wurden somit ganz offensichtlich durch die „falsche“ Organisation eingereicht. Die FREIEN WÄHLER hätten tatsächlich keine Unterstützungsunterschriften sammeln müssen, die „Freien Wähler Erzgebirge e.V. (FWE)“ dürften dagegen mangels Parteieigenschaft nicht einmal einen Wahlvorschlag einreichen, mit Ausnahme von Einzelwahlvorschlägen („Vorschläge von anderen Wahlberechtigten“), diese wären aber dann von 100 Wahlberechtigten zu unterzeichnen gewesen. Siehe hierzu auch § 18 ff Sächsisches Wahlgesetz.
Weitere mögliche Fehler, z.B., ob die Wahlvorschläge ggf. von der Partei FREIE WÄHLERN aufgestellt wurden, aber letztendlich von den „Freien Wählern Erzgebirge e.V. (FWE)“ eingereicht worden sind, können von hiesiger Stelle aus nicht überprüft werden, es ist jedoch bereits fraglich, ob auch der zuständige Vorstand, in dem Fall der Landesvorstand der Partei FREIE WÄHLER, diese Wahlvorschläge überhaupt unterzeichnet hat. Das kann aber dahinstehen, denn Fakt ist, dass es sich bei den „Freien Wählern Erzgebirge e.V. (FWE)“ eben nicht um die Partei FREIE WÄHLER handelt. Somit ist die Zulassung der Direktkandidaten der „Freien Wähler Erzgebirge e.V. (FWE) in den Wahlkreisen 12 bis 16 rechtswidrig
Als zuständige Wahlleiter ist es nun die Aufgabe des Kreiswahlleiters und des Landeswahlleiters, gegen diesen Beschluss unverzüglich und innerhalb der gesetzlichen Frist Beschwerde einzulegen. Andernfalls droht eine Wiederholung der gesamten Wahl.
Bitte informieren Sie mich über den weiteren Verlauf in dieser Angelegenheit.