Liebe Strehlaer, 

mein letzter Aufruf an die Bürger unserer Stadt, sich eine Meinung über die geplante Photovoltaik-Freiflächenanlage Strehla West zu bilden und ggf. aktiv zu werden, hat insofern bereits Früchte getragen, als sich mittlerweile ein fachkundiger Bürger aus Strehla an mich wandte und mir seine Argumente gegen das Vorhaben, die er auch über das Beteiligungsportal zum Sondergebiet “Photovoltaik Strehla West” geltend gemacht hatte, zur Verfügung stellte.

Ich gebe Ihnen hiermit die Argumente 1:1 wieder. Bitte bilden Sie sich eine eigene Meinung und werden Sie aktiv. Nach wie vor bin ich der Auffassung, dass eine von den Bürgern selbst getragene überparteiliche Bürgerinitiative das beste Mittel wäre, um eine Entscheidung über das Vorhaben herbeizuführen, weil sonst die bisher getroffenen Beschlüsse des Stadtrates Wirkung entfalten, ohne dass der Bürger wirklich gehört wird.

Ihr Peter Schreiber
Stadtrat und Kreisrat
FREIE SACHSEN

Stellungnahme eines fachkundigen Bürgers:

Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit nehme ich Stellung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Photovoltaik Strehla West“ und spreche mich aus folgenden Gründen gegen die geplante Errichtung einer großflächigen Photovoltaikanlage auf landwirtschaftlicher Fläche im Bereich Strehla West aus:

1. Verlust wertvoller landwirtschaftlicher Fläche

Das Projekt sieht die Nutzung bisher landwirtschaftlich genutzter Flächen zur Errichtung einer großflächigen Solaranlage vor. Diese Flächen dienen derzeit der Lebensmittelproduktion und haben eine wichtige Funktion für die regionale Versorgung sowie für landwirtschaftliche Betriebe. Der dauerhafte Entzug solcher Acker- und Grünlandflächen kann zu Flächenkonkurrenz zwischen Energieproduktion und Nahrungsmittelproduktion führen und verringert die verfügbare Anbaufläche in einer Zeit, in der globale Ernährungssicherheit als kritisch bewertet wird.

2. Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und der Lebensqualität

Ein großflächiges Solarfeld wird das Landschaftsbild in der Region nachhaltig verändern. Die charakteristische offene Agrarlandschaft kann durch eine großflächige technische Infrastruktur deutlich an ästhetischem Wert verlieren – was sowohl die Lebensqualität der Anwohner als auch den Erholungswert der Umgebung für Besucher beeinträchtigen kann. Solche Veränderungen führen bei Anwohnern häufig zu Unzufriedenheit und können den dörflichen Charakter der Region stören.

3. Ökologische Auswirkungen auf Natur und Artenvielfalt

Die Errichtung und der Betrieb von großflächigen Freiflächen-Photovoltaikanlagen gehen mit erheblichen Eingriffen in bestehende Ökosysteme einher. Das Freilegen und Verlegen von Flächen verändert lokale Lebensräume, kann Tiere und Pflanzen verdrängen und die Biodiversität beeinträchtigen. Zudem kann der Bau bestehende Vegetationsdecken zerstören und Bodenprozesse beeinflussen, was potenziell negative Effekte auf Bodenleben, Nährstoffkreisläufe und lokale Flora und Fauna hat.

4. Flächeninanspruchnahme statt Dach- und Konversionsflächen

Freiflächenanlagen nehmen zusätzliche Fläche in Anspruch – anders als Dach-Photovoltaik, Agri-Photovoltaik, oder die Nutzung von Konversionsflächen wie Industrie-, Gewerbe- oder Brachflächen. Fachbehörden empfehlen daher, vorrangig Flächen mit geringerer ökologischer oder wirtschaftlicher Bedeutung zu nutzen, bevor landwirtschaftliche Nutzflächen beansprucht werden.

5. Fehlende Alternative Nutzungskonzepte

Im Vorentwurf des Bebauungsplans fehlt eine ausreichende Prüfung und Darstellung von Alternativen, wie z. B. Projekte zur Agri-Photovoltaik (gemeinsame Nutzung von Energieproduktion und Ackerbau) oder der verstärkten Nutzung bereits versiegelter Flächen für Photovoltaik. Ohne solche Alternativen bleibt die Entscheidung einseitig zu Lasten der Landwirtschaft und des Landschaftsschutzes.

6. Zusätzliche Belastung des lokalen Stromnetzes durch volatile Einspeisung

Die geplante Photovoltaik-Freiflächenanlage speist ihren Strom volatil und wetterabhängig in das regionale Stromnetz ein. Das örtliche Verteilnetz der Stadt Strehla ist primär nicht für große, stark schwankende Einspeisemengen ausgelegt, sondern für eine bedarfsgerechte Versorgung der Verbraucher. Insbesondere bei hoher Sonneneinstrahlung und gleichzeitig geringem lokalen Stromverbrauch kann
es zu Netzengpässen, Spannungsproblemen sowie erhöhtem Regel- und Ausgleichsbedarf kommen. Diese technischen Herausforderungen erfordern in der Regel kostspielige Netzausbaumaßnahmen oder den Einsatz zusätzlicher Regeltechnik, deren Kosten letztlich auf die Allgemeinheit umgelegt werden.

Da der erzeugte Strom nicht vorrangig vor Ort verbraucht, sondern in übergeordnete Netze abgeführt wird, steht der lokale Nutzen in keinem angemessenen Verhältnis zur technischen Mehrbelastung des kommunalen Stromnetzes. Aus diesem Grund erscheint das Vorhaben aus netztechnischer Sicht für den Standort Strehla weder notwendig noch sinnvoll.

7. Ungeklärte Entsorgung, Rückbaupflichten und Risiko der Dritthaftung bei Betreiberinsolvenz

Photovoltaik-Freiflächenanlagen haben eine begrenzte technische Lebensdauer. Nach Ablauf der Nutzungszeit – oder im Falle einer vorzeitigen Stilllegung – entsteht ein erheblicher Rückbau- und Entsorgungsaufwand für Module, Unterkonstruktionen, Verkabelungen, Trafostationen sowie Fundamente.

Der Bebauungsplan lässt derzeit offen, wie die dauerhafte Finanzierung und rechtliche Absicherung des vollständigen Rückbaus gewährleistet werden soll. Besonders kritisch ist das Risiko einer Insolvenz des Betreibers oder eines Eigentümerwechsels, bei dem Rückbau- und Entsorgungspflichten faktisch nicht mehr durchsetzbar sind. In einem solchen Fall besteht die reale Gefahr, dass:
•Rückbaukosten auf die Kommune oder Grundstückseigentümer abgewälzt werden,
•Altlasten und nicht entsorgte Anlagenteile dauerhaft im Landschaftsraum verbleiben,
•oder die öffentliche Hand im Rahmen der Gefahrenabwehr in eine Dritthaftung gedrängt wird.

Zudem ist die Entsorgung von Photovoltaikmodulen aufgrund enthaltener Schadstoffe (z. B. Schwermetalle, Kunststoffe, Verbundmaterialien) technisch und wirtschaftlich aufwendig. Ohne verbindliche Regelungen zu Rückbauverpflichtungen, Sicherheitsleistungen (z. B. Rückbau-Bürgschaften, Kautionen oder Treuhandmodelle) und langfristiger Haftung des Betreibers stellt das
Vorhaben ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko für die Stadt Strehla dar.

Aus Sicht der Vorsorge und kommunalen Verantwortung ist daher eine rechtlich belastbare Absicherung der Entsorgung und des vollständigen Rückbaus über die gesamte Lebensdauer der Anlage hinaus zwingend erforderlich. Solange diese nicht eindeutig geregelt ist, sollte dem Vorhaben nicht zugestimmt werden.